Am Nachmittag des 5. Oktober 1874 hatte bei ungewöhnlich niedrigem Wasserstand der Elbe ein großer Elbkahn am Matzwerder ohne erkennbaren Grund Anker geworfen. Die Schiffer hatten die Absicht, die Nacht hier zu verbringen. Warum, sollte sich bald zeigen. Gegen Abend hörte der Förster Kilz, der auf den Kliekener Rittergütern seit langen Jahren den Forst betreute, bei einem Gang durch sein Revier in der Nähe der Elbe einen Schuß. Er ging dem Schalle nach zum Strom hinunter und sah den festgemachten Kahn. Aber er sah noch mehr. Zwei Männer fuhren mit einem Handkahn an das Schiff und brachten einen größeren, nicht erkennbaren Gegenstand an Bord. Sofort zog er den richtigen Schluß, daß die Schiffer im Kliekener Wald gewildert hatten. Allein an die Wilderer heranzugehen, konnte er nicht wagen. Er kannte die Akener Schiffer und wußte, daß sie zu allem fähig waren.
Darum holte er zunächst den Waldwärter Enke vom Kliekener Buschkrug, ließ sich dann über die Elbe setzen und erstattete dem Revierförster Schlieter in Vockerode Bericht. Zufällig war auch der Gendarmeriewachtmeister Jungmann aus Dessau anwesend. Sie erklärten sich sofort bereit, an der Festnahme der Wilderer mitzuwirken. Alle vier begaben sich nach der Elbe, erstiegen den Kahnund fanden ihn meschenleer. Die Kajüte war verschlossen.
Die Beamten kamen zu der Überzeugung, daß es sich um gewerbsmäßige Wilderer handelte. Da man mit der Möglichkeit rechnete, daß die Leute zum Einkaufen von Lebensmitteln zum Sieglitzer gegangen waren, wurde der Waldwärter nach dort geschickt.
Kurz darauf vielen in der Nähe Schüsse. Sie konnten nur von den Schiffern abgegeben worden sein. Da sie nach dem Kahn zurückkommen mußten, legten sich die Beamten in seine Nähe in den Uferweiden in den Hinterhalt. Es dunkelte schon stark. Etwa eine halbe Stunde mussten sie warten. Dann kamen die Wilderer zurück. Einer von ihnen trug ein erlegtes Stück Dammwild, der andere sein Gewehr.
Die Überraschung gelang nicht voll, weil ein Wilderer auf dem Posten war. Sie gingen sofort zum Gegenangriff über. Ein furchtbarer Kampf Mann gegen Mann begann. Zum Schießen war auf keiner Seite Gelegenheit. Mit Gewehrkolben und Hirschfängern schlugen die Männer aufeinander los. Es ging für alle ums Leben. Bis in das Wasser setzte sich das erbitterte Ringen fort.
Die Beamten, durchweg ältere Leute, waren den Wilderern nicht gewachsen. Kilz wurde durch Hiebe auf den Kopf, die, wie sich später herausstellte, eine Gehirnerschütterung verursacht hatten, außer Gefecht gesetzt. Er versuchte sich nach dem Sieglitzer zu schleppen, blieb aber unterwegs liegen und wurde erst in der Nacht gesucht. Ebenso erging es Schlieter. Auch Jungmann wurde niedergeschlagen, und zwar vom Kahn aus mit einem Bootshaken, der mit voller Wucht den Kopf traf. So konnten die ebenfalls verwundeten Schiffer ihre Beute in Sicherheit bringen.
Sie machten nun den Kahn losund ließen ihn talwärts schwimmen. Jungmann war der erste, der einigermaßen zur Besinnung kam. Er erreichte mit Mühe und Not den Sieglitzer und alalrmierte die Bewohner. Zunächst wurden die beiden im Walde liegenden Verwundeten gesucht und nach dem Sieglitzer gebracht. Dann machte sich der Gastwirt Hitschke und der Waldwärter Enke auf zu Verfolgung. Es mußte der Versuch gemacht werden, den Kahn beim Treiben durch die Elbbrücke anzuhalten. Das gelang nicht, obwohl sogar auf ihn geschossen wurde. Die Verfolgung wurde dann fortgesetzt, an Aken vorbei bis Steckby. Dort konnte der Kahn abgefangen werden.
An Bord befanden sich die Akener Schiffer Hohmann und Matthias. Ersterer hatte drei Wunden, letzterer acht und lag in bedenklichem Zustand im Bett. Beide wurden sofort in Haft genommen. Von den Beamten war Schlieter am schwersten verwundet. Er starb nach vier Wochen an einer hinzukommenden Lungenentzündung.
Vom Schwurgericht Dessau wurden die Wilderer am 26. Februar 1875 zu 10 Jahren und 3 Monaten Zuchthaus verurteilt. Am 02. November 1875 konnten sie aus dem Zuchthaus zu Coswig entweichen, wurden aber am 08. Januar 1876 in Hamburg wieder ergriffen. Am 08. Juni 1880 nahm sich Hohmann im Zuchthaus Coswig das Leben, der andere verbüßte seine Strafe bis zum Ende.
Aus Chronik von Waldersee und Mildensee(43